SAGA (Blick zurück)

Obwohl Performance ein junges Medium ist, können wir bereits auf viele Geschichten zurückschauen. Wie werden diese zum produktiven Erbe? Es geht um Erzählungen von Anfängen, das Erproben von Formaten kollektiver Erinnerungskultur und um Traditionen von Oral History als Narrativ und Gegenerzählung. Varianten der performativen Auseinandersetzung mit Performancegeschichte stehen zur Diskussion: originalgetreue, historisch orientierte Wiederaufführung, vom Original abweichende Re-enactements sogenannte «Werke zweiter Hand», oder von Quellen inspirierte neue Werke. Dabei erscheinen aktuelle Fragen in neuem Licht, Performance-Erbschaften werden angenommen, weitergeschrieben und neu kontextualisiert, Spuren gesichert, generationenübergreifende Dialoge initiiert. Rezeption und Recherche durchdringen die aktuellen performativen Arbeiten.

 

AUSBRUCH AUS DEN MEDIEN (ästhetische Praxen, Hybridisierung)

Performance Kunst ist längst eine eigenständige Kunstgattung mit der Kraft im Dazwischen. Braucht die Performance Kunst eigene Orte der Aufführung oder bleibt sie in den tradierten Gattungen im Übergang und Queeren aufgehoben?

Performance Kunst ist die Grenzgängerin zwischen den Disziplinen. Sie ist aus den Grenzüberschreitungen der bildenden Kunst, des Theaters, des Tanzes, der Musik und der Literatur, aber auch dem Kabarett entstanden. Performances finden oft in ihrer angestammten Kunstgattung und in ihren tradierten Präsentationsräumen statt. Im Ausstellungsraum, Konzertsaal, Club, auf der Theater-, Tanzbühne oder im öffentlichen Raum. Die Aufführungsorte mit ihren Rezeptionstraditionen und ihren disziplinären Bedingtheiten schwingen immer mit und schreiben sich in die Arbeiten ein. Die Unterschiede der Produktionsbedingungen sind gross. Performance Kunst ist immer auch wieder auf sich selbstgestellt, sie entsteht und inspiriert sich aus den unterschiedlichsten Subkulturen und unterschiedlichsten künstlerischen wie gesellschaftspolitischen Diskursen. Avantgarde, Pionierin, Digital Nerd. Es gibt eine verstörende Vielfalt von Haltungen, die alle Performance Kunst neu erfinden, prägen und die jeweiligen Regeln ignorieren. Verschiebungen und Fokuswechsel – erst irritierend – führen zu Veränderungen der Genres. Trotz unterschiedlichsten Traditionen, Fragestellungen und ästhetischen Praxen wird Performance als Begriff in allen Disziplinen verwendet. Im wahrsten Sinne entgrenzt. Wo gibt es Parallelen, was haben wir miteinander zu tun?

 

ZUR RADIKALEN GLEICHWERTIGKEIT VON ERFAHRUNGEN (Queer, Choreopolitics)

Die Frage ist, von wo aus sagen wir Ich? Von wo aus sagen wir Wir? Wie können Räume und Zeiten in Verbindung gebracht und im Austausch beweglich gehalten werden? Denn Orte und Kontexte sind räumliche und geistige Settings, die Erfahrungen ermöglichen oder verunmöglichen.

Choreopolitics untersucht was unsere Körper und Gefühle von unsichtbarer Hand leitet. Komplexe performative Systeme wirken auf uns ein. Räumliche wie gesellschaftliche Situationen, Institutionen, Städtbau, Architektur aber auch Familie, Schule, Bühne, Arbeitswelt und Gendernormen evozieren Anrufung an unser Benehmen, Handeln, Empfinden. Diese Appelle ermöglichen, uns selbst im Positiven (neu, wahrhaftig, selbstermächtigt) zu erfahren. Sie können auch erdrücken und lähmen, so dass wir weder
weiterdenken und noch Perspektiven aus der Situation heraus imaginieren können. Diese Anrufungen, im Alltag oft als Gewohnheiten, Routine und Selbstverständlichkeiten getarnt, werden uns bei Kontext- und Ortswechseln erst richtig bewusst. Lassen uns unsere eingenommenen Rollen erkennen. Choreopolitics liest Orte als räumliche und geistige Settings, die Neues ermöglichen. So wollen wir Erfahrungen, Kontexte, Kräfte, Ereignisse und Zeiten verbinden und beweglich halten.

 

 

FLÃœCHTIGE TAT (Politik, Aktivismus, Feminismus)

Die dynamische Beziehung zwischen Subjekt und Kollektiv und der Wunsch nach Selbstermächtigung ist der Künstler:in und der politischen Aktivist:in gemeinsam. Wenn Anliegen nicht nur mit Zeichen und Symbolen skandiert, sondern mit unerwarteten Bildern und neugestalteten Gesten vorgetragen werden, erweisen sie sich oft als offene und zugewandte Kommunikationsformen. Anliegen werden dabei sichtbar, verständlich und neu verhandelbar. Performance Kunst will irritieren und verführen, Verhältnisse und Regimes in Politik und im öffentlichen Raum hinterfragen und Tatsachen schaffen.

SOZIALE ELEGANZ (Freundschaften, Szenen, Netzwerke)

Künstler*innen arbeiten aus dem heraus was sie antreibt und was sie wollen. Was lokal fehlt, wird selbstorganisiert. So werden sie zu Künstlerkurator*innen und -Vermittler*innen. Sie werden vom Kunstmarkt entweder aufgesogen, ignoriert oder wandeln hin und her.

Alle Funktionen des Kunst-in-die-Welt-Setzens werden selbst übernommen, von der Kuration über die Öffentlichkeitsarbeit zur Administration bis hin zum Putzen, Gastgeber*in sein, dokumentieren, darüber schreiben und archivieren. Auf die Gefahr hin, dass sich die offiziellen Institutionen und der Markt aus der Verantwortung für ein gesundes Klima und Flow zwischen Hoch- und Subkultur stehlen. Ob Szene oder nicht, das Gefüge ist massgeblich dafür verantwortlich wie Performancekulturen entstanden und wirksam sowie sichtbar wurden. Performance Kunst baute sich, wie kaum eine andere Gattung ihre eigenen Plattformen, Austauschformate und Festivals. Impulsbringende Projekte tauchten über die Jahrzehnte auf ohne je zur staatlich getragenen Institution zu werden. Das gegenseitige Einladen, ob im translokalen Austausch, oder über die Kontinente hinweg ist eine Selbstverständlichkeit, denn ohne Freundschaft bewegt sich gar nichts.

 

DIREKTÃœBERTRAGUNG (Situation, Rezeption)

Performance ist immer Bezugnahme. Sie ist situativ und direkt. Wie sieht die Zukunft der Rezeption ephemerer Kunst aus?

Zwischen den Performer*innen und dem Publikum eröffnet sich ein Wahrnehmungsraum, ein geteilter Raum, der «schauende Zwischenraum», der von allen Anwesenden beatmet, aufgeladen und transponiert wird. Kopräsenz und Zeugenschaft sind dabei wesentliche Begriffe für die Rolle des Publikums. Aus diesen Verhältnissen von Übertragung und Identifikation sind im Anschluss Übersetzungen, Vermittlung und Resonanzen in jeglicher Form gefragt. Austausch und die Erzählung danach sind wesentlich für eine Fortschreibung des Gezeigten. Performance Kunst vernetzt Informationen und schlägt Bögen in die Vergangenheit. Sie geht auf Tuchfühlung und in Auseinandersetzung mit dem Ort, dem Moment, dem Material, dem Zuschauer, ist simpel und anspruchsvoll zugleich. Manche konzentrieren ganz auf in kapitelunterteilte Erzählungen und Bilder. Andere ergreifen das Publikum mit wuchtigen Handlungen oder grossem Sprachduktus, mit Körperintelligenz oder zeichenhaften Wortkörper-Kompositionen.

Zugleich wird nach unterschiedlichen Dokumentationsstrategien gefragt, die die Performance Kunst «after the act» lebendig halten, fassen, haltbar machen, sammeln, archivieren, ankaufen, wiederaufführen, re-aktualisieren, neu-erzählen wollen. Ohne in die historisierende Falle zu tappen, werden Scheinwerfer in eine Zukunft gerichtet.

 

 

FRECKLY NIGHT (Schillernde Momente zwischen Vergangenheit und Zukunft)

Ereignisse prägen das kollektive Gedächtnis und die Sicht auf das Medium der Performance Kunst. Auf welche grossen Momente beziehen wir uns? Welche unentdeckten Held:innen sind in den Kanon zu hieven? Auf welche standhaften Kollektive bauen wir und welche Komplizenschaften gilt es noch zu erkennen und zu aktivieren?

Zum Schluss der Ausstellung BANG BANG feiern wir unsere Erfahrungen, Erkenntnisse und das Zusammensein mit Konzert, Performance und Show. Die «Must or not’s» der Performance Kunst werden zur Inspiration für einen moderierten Bühnenabend. Spielerisch werden die Ereignisse der letzten drei Monate durch die Nase gezogen, in die Luft gewirbelt und Revue passiert. Und wie kommen Energien immer wieder ins fliessen? Diese Fragen werden anhand eines Cross Mappings feministischer Projekte erörtert.